Der Energietechnikkonzern und Börsenneuling Siemens Energywird den formalen Firmensitz und die Zentrale in Berlin ansiedeln.
Das hat der Vorstand nach monatelangen Diskussionen und Prüfungen beschlossen. „Wir müssen die öffentliche und politische Debatte um die Energiewende als Unternehmen aktiv und intensiver mitgestalten“, sagt Christian Bruch, seit Mai Vorstandsvorsitzender, in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (F.A.Z./Freitagsausgabe). „Das hat dann auch den Ausschlag für die Standortentscheidung gegeben.“ Neben der Bundeshauptstadt wurden München, Erlangen und Mülheim als potentielle Unternehmenssitzes geprüft.
Am Donnerstagnachmittag sind die Mitarbeiter darüber informiert worden, ebenso Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Bruch betonte, dass es nur einen sehr kleinen Sitz mit einem schlanken Stab geben werde. „Dabei werden die Zentralfunktionen sogar über die Fläche breit verteilt sein und an verschiedenen Standorten sitzen.“ Auch die Vorstände seien verteilt. Die Konzernleitung wird schätzungsweise lediglich 150 Mitarbeiter haben. Der Vorstandschef will aber spätestens Anfang 2021 nach Berlin ziehen.
Berlin sei ein historischer Standort, da dort die Wurzeln von Siemens lägen. „Es ist aber vor allem der richtige Ort, weil man dort nah an der Politik und an den Verbänden ist, das sind wichtige Gesprächspartner für uns.“
Siemens Energy wird formal am Freitag vom Siemens-Konzern abgespalten und am Montag erstmals an der Börse in Frankfurt notiert werden. Es ist die bislang größte Abspaltung einer Unternehmenssparte, die es in Deutschland gegeben hat. Jeder Siemens-Aktionär bekommt am Montag für zwei Siemens-Aktien eine neue Siemens-Energy-Aktie in sein Depot. Mit mehr als 20 Milliarden Euro Börsenwert und einem hohen Streubesitz von 55 Prozent (45 Prozent liegen nach wie vor bei der Siemens AG) zeichnet sich ab, dass der Neuling schon im September 2021 in den Dax aufsteigen wird. Berlin erhält damit wieder einen Dax-Konzern.
Im Interview mit der F.A.Z. kündigt Vorstandschef Bruch zugleich einen Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleenergie an, der noch in diesem Jahr erstellt werden soll. Bislang gab es nur Andeutungen über die Absicht. „Die Frage lautet nicht, ob wir aus der Kohle rausgehen, sondern wann und wie.“ Man werde sich fragen müssen, wie lange noch neue Kohleprojekte unterstützt werden sollten. „Dazu werden wir aufzeigen, wie die Schritte aussehen.“ Siemens ist nicht zuletzt wegen eines umstrittenen Kohleprojektes in Australien seit Ende vergangenen Jahres in das Kreuzfeuer von Umweltaktivisten geraten.
In den nächsten Jahren hat die Stärkung der Profitabilität Priorität, was auch von den Investoren eingefordert und bis 2023 erwartet wird. Siemens Energy hat in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2019/2020 (30. September) einen Nettoverlust von 1,5 Milliarden Euro ausgewiesen. Die Rückkehr zu mehr Ertrag werde nicht in ein, zwei oder drei Quartalen passieren können, sondern ein mehrjähriger Prozess sein, sagte Bruch. Das wüssten und verstünden auch die Investoren. „Aber ich beabsichtige, dass wir zügig erste Erfolge vermelden; wenn wir das nicht signalisieren, machen wir etwas falsch.“
Der Siemens-Energy-Chef will schon vor 2023 die Dividendenfähigkeit erreicht haben. Sein Plan sei, das durchaus früher unter Beweis zu stellen; „wenn wir das liefern, was wir vorhaben“
„Wir müssen die öffentliche und politische Debatte um die Energiewende als Unternehmen aktiv und intensiver mitgestalten“ – in der Hauptstadt lobbyiert es sich dann auch wesentlich bequemer. Kürzere Wege, mehr Einfluss oder wie ist die Entscheidung zu verstehen? Ein Schelm, wer Böses ahnt…