Risiko von spekulativen Übertreibungen am Immobilienmarkt ist in vielen OECD-Ländern hoch – In Deutschland wird es bis Ende 2019 leicht abnehmen, Wahrscheinlichkeit bleibt aber über 80 Prozent
Die Sorge vor einer Immobilienpreisblase angesichts steigender Miet- und Kaufpreise wächst nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Zu einer Gefahr werden diese Preissteigerungen dann, wenn die Preisentwicklung auf reine Spekulation statt auf wertbestimmende Faktoren zurückzuführen ist. Dieses Risiko ist vor allem in einigen skandinavischen Ländern wie Schweden, Norwegen und Dänemark, aber auch in den USA, der Schweiz, Belgien und Japan derzeit sehr hoch. Hier droht mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 Prozent im vierten Quartal 2019 eine spekulative Übertreibung. In Deutschland liegt das Risiko derzeit zwar auch bei 92 Prozent, nimmt aber bis Ende des Jahres auf 84 Prozent ab. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
„Spekulative Anlagemotive sind dann wahrscheinlich, wenn sich die Preise von den Erträgen entkoppeln, das heißt, wenn das Verhältnis aus Immobilienpreis und Mietertrag stark steigt“, erklärt Studienautor Claus Michelsen. Auf Grundlage statistischer Modelle und Frühindikatoren – wie beispielsweise das Wachstum der Kreditvergabe oder der verfügbaren Einkommen – können die Wahrscheinlichkeiten für solche Preisblasen prognostiziert werden. Diese Modelle geben Auskunft über das Risiko, können aber nicht mit absoluter Sicherheit bestimmen, ob tatsächlich eine Preisblase vorliegt oder nicht. Übersteigt die Wahrscheinlichkeit den Wert von 50 Prozent, dann überwiegt das Risiko einer Immobilienpreisblase.
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„Für Deutschland stehen die Signale zumindest auf Gelb: Es gibt eine explosive Preisentwicklung, die sich von den Immobilienerträgen entkoppelt hat“, stellt Studienautor Konstantin Kholodilin fest. Das sinkende Risiko spiegelt die verlangsamte Immobilienpreisentwicklung vor allem in den großen Städten des Landes in jüngster Zeit wider und deckt sich mit Beobachtungen von Immobilienmarktanalysten. Zudem erscheint die Finanzierung von Immobilieninvestitionen in Deutschland relativ solide: Die Kreditvolumina zeigen keine auffälligen Trends und auch die Zinsbindung ist relativ lang, was gegen eine Preisblase spricht.
Moderne Methoden des maschinellen Lernens versprechen die besten Prognosen
Um solche Entwicklungen besser abschätzen zu können, wäre es für alle Akteure am Markt wichtig, zuverlässige Prognosen zur Hand zu haben, um dann notfalls mit regulierenden Maßnahmen eingreifen zu können. Daher haben die beiden Studienautoren Claus Michelsen und Konstantin Kholodilin die Ergebnisse verschiedener Prognosemodelle miteinander verglichen. „Es gibt zahlreiche Versuche, Frühwarnsysteme für Immobilienpreisblasen zu etablieren. Allerdings hat sich bislang kein Konsens über ein Prognosemodell herausgebildet“, berichtet Studienautor Kholodilin. Nur über die verwendeten erklärenden Variablen herrsche Einigkeit: Finanzmarktindikatoren wie das Volumen der Kreditvergabe, die Geldmenge oder Zinsen haben ebenso einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Immobilienpreisblase wie die Verschuldung der öffentlichen Hand oder das Wirtschaftswachstum.
„Dass das Risiko für Deutschland nun langsam sinkt, sollte für die Politik keinesfalls bedeuten, dass sie die Hände in den Schoß legen kann. Im Gegenteil.“ Claus Michelsen
Die Forscher haben ein einfaches Wahrscheinlichkeitsmodell modernen Verfahren des maschinellen Lernens gegenübergestellt. „Tatsächlich zeigt sich, dass Ansätze, die das maschinelle Lernen nutzen, einen deutlichen Zugewinn an Präzision bei der Voraussage von Immobilienpreisblasen ermöglichen“, sagt Claus Michelsen. Am genausten hat sich die Zufallswald-Methode erwiesen, die eng mit Entscheidungsbäumen verknüpft ist, doch die Gefahr von Überspezifikationen reduziert. Ihre Vorhersagegenauigkeit lag bei der Schätzung des Risikos für eine spekulative Preisübertreibung für das nächste Quartal bei 61 Prozent. Aber auch bei einem Zeithorizont von einem Jahr lag die Genauigkeit noch bei mehr als der Hälfte.
Deutschland braucht mehr prophylaktische Maßnahmen
Mithilfe dieser Methode haben die DIW-Ökonomen schließlich die Wahrscheinlichkeit von Immobilienpreisblasen für 19 OECD-Länder bestimmt. „Dass das Risiko für Deutschland nun langsam sinkt, sollte für die Politik keinesfalls bedeuten, dass sie die Hände in den Schoß legen kann. Im Gegenteil: Nach wie vor ist das Instrumentarium prophylaktischer Maßnahmen in Deutschland nicht ausreichend“, gibt Claus Michelsen zu bedenken. So fehlt es beispielsweise an Eingriffsmöglichkeiten, die auf die Verschuldungsobergrenzen von Haushalten abstellen. Auch ist unklar, nach welchen Kriterien die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in den Markt mit Restriktionen, die die Kreditvergabe beschränken, eingreifen kann – es fehlt an Schwellenwerten, die definieren, ab wann ein Eingriff notwendig und geboten ist. „Es reicht nicht, zuverlässige Prognosemodelle zu haben. Die Politik muss nun auch die Grundlage schaffen, in den Markt einzugreifen.“
Statt abzuwarten bis die Blase platzt – „Alarmstufe Rot in der Bausparkasse“, herrlicher Filmtitel – und eine Verpreiswerterung eintritt, bereiten sich aber einige Eigentümer bereits auf den drohenden Deckelsozialismus vor. Zweckentfremdung-, Ferienwohnungsverbote, Mietpreisbremse und nun Mietendeckel. Preise einfrieren als wären wir im … da wäre doch ein, nein das unvermeidliche Plopp der Blase abzuwarten vielleicht fairer.