„Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob die Kosten für die Rückholung von Urlauberinnen und Urlaubern on top zu den 110 Millionen Euro kommen oder ob sie darin enthalten sind.“
Rede der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht
eingangs der Befragung der Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag am 11. Dezember in Berlin:
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Vielen Dank für die Gelegenheit, Ihnen den aktuellen Sachstand einiger weniger Punkte meines Ressortbereichs
darzustellen. Ich möchte insbesondere kurz auf das Maßnahmenpaket gegen rechts eingehen.
Die Bundesregierung hat Ende Oktober ein Eckpunktepapier gegen Hass und Hetze und gegen sich immer breiter
machende Bedrohungslagen beschlossen, aber auch gegen die Versuche, Menschen mundtot zu machen. Insbesondere
bei Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern drückt sich das mittlerweile sehr bedrohlich aus, auch für
die Demokratie. Deswegen haben wir dieses Maßnahmenpaket als Eckpunktepapier beschlossen. Die Fragen, für die
mein Ressort zuständig ist, habe ich mittlerweile in einem Referentenentwurf zusammengefasst. Gestern habe
ich die Ressortabstimmung eingeleitet. Ein wesentlicher Punkt dieses Paketes bezüglich meines Ressorts ist
die Meldepflicht für Provider. In Zukunft können Inhalte, die als löschenswürdig oder sperrenswürdig
eingeordnet wurden und gemeldet wurden, bei einer Zentralstelle des Bundeskriminalamtes gemeldet werden,
damit der Verfolgungsdruck entsprechend aufgebaut werden kann und nicht nur gesperrt oder gelöscht wird,
sondern dass dem entsprechend nachgegangen werden kann. Diese Regelung werden wir im
Netzwerkdurchsetzungsgesetz schärfen, damit nicht nur gesperrt, sondern auch gelöscht wird.
Darüber hinaus habe ich einen Vorschlag unterbreitet, dass Beleidigungen im öffentlichen Raum strafrechtlich
besonders gewürdigt werden. Das ist eine Entwicklung, die uns alle sehr betroffen macht. Eine Beleidigung
ruft offensichtlich andere dazu auf, noch widerlicher, noch schärfer zu beleidigen. Es gibt also eine
Spirale. Es ist ein Unterschied zwischen einer Beleidigung in einem geschlossenen Raum, vielleicht in
irgendeiner Kneipe, und einer Beleidigung in einem öffentlichen Raum, nämlich im Internet. Das wollen wir
strafschärfend stellen. Dafür ist § 185 StGB vorgesehen. Wir wollen Kommunalpolitikerinnen und
Kommunalpolitiker unter den besonderen Schutz des § 188 StGB stellen, indem wir klarstellen, dass politisches
Leben bis in die kommunalpolitische Ebene hineinreicht. Das wurde in der Rechtsprechung bisher nicht so
gesehen. Deswegen war diese Klarstellung notwendig.
Das sind nur einige wenige Punkte, die ich einführend nennen möchte. Ich möchte Sie aber auch über einen
Sachverhalt in Kenntnis setzen, den wir heute im Kabinett zum Gegenstand hatten. Ich kann Ihnen mitteilen,
dass das Bundeskabinett heute meinem Vorschlag zugestimmt hat, dass wir Thomas-Cook-Kunden nicht im Regen
stehen lassen wollen. Die Kunden haben zu Recht darauf vertraut, dass durch die Sicherungsscheine ihre
Anzahlung gegen eine Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert ist. Es war nicht vorhersehbar, dass die
Höhe des Versicherungsschutzes nicht ausreichend ist. Es ist streitig, ob die Höhe der Haftungssumme, die der
Kundenversicherer ansetzt, um auszugleichen, richtig berechnet ist. Es stellt sich beispielsweise die Frage,
ob die Kosten für die Rückholung von Urlauberinnen und Urlaubern on top zu den 110 Millionen Euro kommen oder
ob sie darin enthalten sind. Wir als Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) vertreten die
Meinung, dass sie zusätzlich zu den 110 Millionen Euro gerechnet werden müssen. Darüber hinaus ist auch noch
streitig, ob es beispielsweise Ansprüche gegenüber andere Beteiligte gibt.
Mit diesen offenen Rechtsfragen und auch mit dieser unsicheren Situation wollen wir die Kundinnen und
Kunden, die Reisenden, nicht alleine, nicht im Regen stehen lassen, sondern wir wollen als Staat diese
Ansprüche vertreten und geltend machen. Wir erwarten aber auch, dass die Reisenden ihre Ansprüche wiederum an
den Staat abtreten. So können wir eine Klageflut vermeiden, die ein nicht kalkulierbares Prozesskostenrisiko
mit sich bringt. Das wollen wir vermeiden, um den Schaden für den Steuerzahler so gering wie möglich zu
halten.
Ich kann Ihnen ankündigen, dass wir im BMJV mit Hochdruck daran arbeiten, zu klären, wie wir die Umsetzung
der EU-Reiserichtlinie entsprechend ausgestalten, damit solche Fälle in Zukunft durch den Schutz über eine
Versicherung oder eine Fondslösung oder auch beides – dies beraten wir derzeit unter Hochdruck – abgewendet
werden können.
Vielen Dank.