Entwicklungshilfe für Sudan

Sudan und Äthiopien sind zwei Beispiele einer neuen Aufbruchsstimmung auf dem afrikanischen Kontinent. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss Afrika in den Mittelpunkt stellen. Afrika braucht nicht weniger als einen Jahrhundertvertrag mit der Europäischen Union als Nachfolgeabkommen des Cotonou-Abkommens.

 

Rede des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, zur Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Sudan vor dem Deutschen Bundestag am 13. Februar 2020 in Berlin:

Wir sprechen heute über einen neuen Sudan. Außenminister Heiko Maas hat es angesprochen: Nach 30 Jahren gibt es jetzt eine zivile Übergangsregierung. Premierminister Abdalla Hamdok, den ich vor genau einer Woche in Khartum getroffen habe, hat eine hoffnungsvolle Agenda eines Verfassungsprozesses, ausgerichtet auf demokratische Strukturen, die Zulassung von Parteien und das Ziel von Wahlen. Ganz besonders wichtig ist auch die Verankerung der Gleichstellung von Frau und Mann. Denn diese Transformationsentwicklung haben insbesondere junge Frauen im Sudan auf den Weg gebracht, die wir unterstützen wollen. Und, Markus Grübel: Auch die Achtung der Religionsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind sein Ziel.

Deshalb sind Deutschland und Europa aufgefordert, dies jetzt wirksam zu unterstützen. Ich bin dankbar und begrüße den Beschluss des Deutschen Bundestages zur Wiederaufnahme der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit. Wir sind vorbereitet und starten sofort mit einem 80-Millionen-Euro-Programm. Good Governance, Landwirtschaft, Ausbildung und Energie sind die Schwerpunkte.

Sudan und Äthiopien sind zwei Beispiele einer neuen Aufbruchsstimmung auf dem afrikanischen Kontinent. Die deutsche Ratspräsidentschaft muss Afrika in den Mittelpunkt stellen. Afrika braucht nicht weniger als einen Jahrhundertvertrag mit der Europäischen Union als Nachfolgeabkommen des Cotonou-Abkommens.

Wir brauchen eine neue partnerschaftliche Zusammenarbeit. Dazu sind sechs Schwerpunkte wichtig, die ich hier in die Diskussion dieses Vertrages mit der Afrikanischen Union einbringen möchte.

Erstens: Ein neuer institutioneller Rahmen mit einem ständig tagenden EU-Afrika-Rat und der Vernetzung aller Politikbereiche der Europäischen Union und des afrikanischen Kontinents.

Zweitens: Eine Übereinkunft gegen Hunger und Not zur Stärkung der wirtschaftlichen Entwicklung. Afrika wird sich bis 2050 bevölkerungsmäßig verdoppeln. Aber ein Afrika ohne Hunger ist möglich – so wir das wollen. Der geplante Afrika-Ansatz im mehrjährigen Finanzplan der Europäischen Union ist vollkommen unzureichend. Zur Lösung der Herausforderungen auf dem afrikanischen Kontinent ist zumindest eine Verdoppelung des Afrika-Haushaltsansatzes notwendig. Kein Beifall? Es wird hier offenbar anders gesehen, aber das ist meine klare Einschätzung. Wissen Sie, die Mittel für den jährlichen EU-Afrika-Ansatz von fünf Milliarden auf sechs Milliarden Euro für die nächsten sieben Jahre festzusetzen, das sind Regentropfen. Da brauchen wir nicht von Handlungsfähigkeit vor Ort zu sprechen.

Drittens: Der EU-Green-Deal muss auf Afrika ausgeweitet werden. Notwendig ist ein großes Investitions- und Innovationsprogramm. Afrika muss der Kontinent der erneuerbaren Energien werden. Derzeit werden 450 Kohlekraftwerke geplant und gebaut. Ein Zwei-Grad-Ziel wäre dann für uns alle höchstens schwarze Luft und ganz sicher Illusion. Wir wissen, was zu tun ist, aber wir tun es nicht.

Viertens: EU und Afrika: Notwendig ist ein Migrations- und Zuwanderungsabkommen.

Fünftens: Wir brauchen eine neue, faire Handelspolitik – Stichwort „Lieferketten“ – als Antwort auf die afrikanische Freihandelszone. Handel schafft Arbeitsplätze und Zukunft. Ich war in Nordostnigeria und habe dort mit ehemaligen Boko-Haram-Kämpfern gesprochen. Die sagten mir unter vier Augen: „Ich hatte nichts, keine Perspektive, keinen Job, kein Geld, kein Essen, und mir wurden ein Dollar, Essen und ein Gewehr geboten. Das war mein Einstieg bei Boko Haram.“ Wir brauchen ein Gegenkonzept, nämlich Entwicklung und Zukunft für die Jugend der afrikanischen Länder.

Sechstens: Liebe Sicherheitspolitiker, das werden wir in München miteinander vertiefen – Notwendig ist der Aufbau gemeinsamer Sicherheitsstrukturen und einer vernetzten Sicherheitspartnerschaft von Europa und der Afrikanischen Union. Der Marshallplan mit Afrika und die Agenda 2063 sind das Zielkonzept und das Umsetzungskonzept.

Ich sage ganz klar: Handeln wir nicht jetzt an diesen sechs Punkten entlang, dann werden wir mit gewaltigen Folgeproblemen konfrontiert werden. Herzlichen Dank.

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