In der kommenden Wahlperiode droht ein starker Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge, wenn die künftige Bundesregierung nicht gegensteuert.
Bei der in der Frühjahrsprojektion vom April 2021 angenommenen wirtschaftlichen Entwicklung und Fortschreibung des geltenden Sozialrechts werden die Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung von aktuell knapp 40 Prozent bis 2025 auf 43,2 Prozent steigen. Dies prognostizieren die Ökonomen Martin Werding von der Universität Bochum und Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg in einem Gutachten für den Spitzenverband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Ihre Expertise liegt dem Handelsblatt vor.
Bis 2030 droht demnach ein Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge auf 45 Prozent. Um die Leistungszusagen finanzieren zu können, müssten nach den Berechnungen der Wissenschaftler neben den Beitragssätzen auch die Steuerzuschüsse kräftig steigen – und zwar von 144 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf 179 Milliarden Euro im Jahr 2030. So erhält beispielsweise die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) allein für das kommende Jahr einen Rekordzuschuss von 28,5 Milliarden Euro, damit die Beiträge stabil bleiben können. Auch die Pflegeversicherung ist auf Milliarden vom Bund angewiesen. „Die Zuschüsse an die Kranken- und Pflegeversicherung belasten den Staatshaushalt massiv mit zusätzlichen Schulden“, sagte PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther dem Handelsblatt. „Sie rauben den Spielraum für Investitionen in Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung.“
Dies gilt erst recht, wenn sich die künftige Bundesregierung entscheiden sollte, die Gesamtbelastung durch Sozialbeiträge nicht über die 40-Prozent-Marke steigen zu lassen und damit die für das laufende Jahr geltende „Sozialgarantie“ fortzuschreiben. Dann wären aus dem Bundeshaushalt allein für die Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2025 zusätzliche 144 Milliarden Euro an Steuermitteln erforderlich, um den Demografie- und Kostendruck in den Sozialkassen zu bewältigen.