Ähnlich wie in Griechenland und Zypern fand zur Zeit der Staatskrise ein Run auf die Banken in Argentinien statt.
In Zeiten der Überschwangs fixierte die Regierung das Währungsverhältnis US Dollar zu Peso mit 1:1. Viele Argentinier transferierten ihr Peso-Vermögen zu diesen Konditionen auf US-Dollarkonten bei heimischen Banken. Zur Bewältigung der hohen ausländischen Staatsschulden beschloss die damalige Regierung in Buenos Aires einen Währungsschnitt von 1:4 zum US-Dollar. Auf dieser Basis wurden alle inländischen US-Dollarkonten zwangskonvertiert. Damit verlor der Durchschnittsbürger einen Großteil seines „sicheren“ US-Dollar-Vermögens. Nur die superreichen Argentinier blieben verschont, weil diese statt heimischer US-Dollarkonten eine direkte Bankbeziehung in den USA hatten.
Dem armen Argentinier wurde diese Wahrheit zudem nur langsam klar nachdem per täglichen Parlamentsbeschluss die Inlandsbanken für fast zwei Wochen geschlossen blieben, bis die Wirtschaft monetär auszutrocknen drohte.
Claudia Ulferts und Georg Thomas fassen den Staatsbankrott Argentiniens im Jahre 2001 zusammen.
Veröffentlichung auf Tagesschau.de aus dem Jahre 2010:
… Die Ursachen, die zum Ausbruch der Argentinien-Krise führten, sind zum Teil bereits mit Entscheidungen aus den späten 80er und frühen 90er Jahren verbunden. Nach der Rückkehr zur Demokratie 1983 litt das Land unter einer Hyperinflation. Um diese einzudämmen, führte der damalige Präsident Carlos Menem 1991 eine 1:1-Bindung der einheimischen Währung an den US-Dollar ein. Das beendete die Inflation und führte zunächst zu wirtschaftlicher Stabilität und einem Aufschwung.
Industrie durch Peso-Kopplung nicht mehr wettbewerbsfähig
Doch der Peso, argentinische Währung seit Anfang 1992, war mit der Dollar-Kopplung völlig überbewertet. Argentinische Waren wurden auf dem Weltmarkt teurer, Importware billiger – was zur Folge hatte, dass zahlreiche Fabriken und Unternehmen im Land schließen mussten. Eine massive Kapitalflucht setzte ein, das Land musste immer mehr Kredite aufnehmen, um alte Verbindlichkeiten zahlen zu können. Erschwerend kam hinzu, dass Brasilien 1999 seinen Real abwertete. Das Nachbarland, einer der wichtigsten Handelspartner Argentiniens, wurde so für ausländische Investoren interessanter. Brasilianische Waren verbilligten sich, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil einbrachte. Nicht nur Investoren zogen sich zunehmend aus Argentinien zurück, auch die Zahl der Exporte sank und das argentinische Handelsdefizit stieg. Mit der Bindung des Peso an den US-Dollar hatte Argentinien den Einfluss auf seine Zinspolitik abgegeben und fortan war das Land von der US-amerikanischen Konjunkturpolitik abhängig. Das stetige Wachstum der dortigen Wirtschaft Ende der 90er Jahre, das sich auch im starken US-Dollar ausdrückte, entwickelte sich für Argentinien zum Nachteil. Bei dieser Konstellation konnte die argentinische Volkswirtschaft nur durch einen Leistungsbilanzüberschuss oder durch Kapital aus dem Ausland wachsen. Die feste DollarBindung hatte so maßgeblichen Anteil am Entstehen der Wirtschaftskrise.
Verängstigte Kunden stürmen die Banken
Um das Land vor dem Bankrott zu bewahren, schnürte der Internationale Wahrungsfonds IWF in den Jahren 2000 und 2001 mehrere Hilfspakete, die an harte Auflagen geknüpft waren. Die internationale Organisation verlangte beispielsweise als Gegenleistung zu den gewährten Krediten von Argentinien, sein Haushaltsdefizit innerhalb eines Jahres um 2,5 Milliarden Dollar zu senken. Für ein Ende Dezember 2000 vereinbartes Hilfspaket über 39,7 Milliarden Dollar forderte der IWF unter anderem die Liberalisierung des Gesundheitswesens, weitere Privatisierungen und die Verringerung der Einfuhren. Infolge der gewährten Kredite durch den Währungsfonds schien sich eine Entspannung der wirtschaftlichen Lage abzuzeichnen, die aber von den Auswirkungen des weltweiten wirtschaftlichen Einbruchs nach den Anschlägen vom 11. September zunichte gemacht wurde. Investoren agierten fortan zurückhaltender, die Rating-Agentur „Standard & Poor’s“senkte Argentiniens Bonitätsindikator und der IWF zog seine Hilfe zurück, da das Land die auferlegten Kriterien nicht erfüllen konnte.
Der Vertrauensverlust in der Bevölkerung führte zu einem Ansturm auf die Banken: Am 30. November 2001 wurden an einem einzigen Tag 1,3 Milliarden Peso abgehoben. Die Kunden wollten ihre Einlagen 1:1 in Dollar tauschen. Daraufhin ließ die Regierung Konten und Bankguthaben zunächst einfrieren. So beschränkte sie die Möglichkeiten Bargeld abzuheben auf wenige hundert Dollar pro Monat. Dieser Schritt verschärfte die Vertrauenskrise in die Wirtschaft weiter. Mitte Dezember 2001 kam es zu schweren Unruhen im Land. Die Wirtschaftskrise war zu einer Regierungskrise geworden. Innerhalb von zwei Wochen hatte das Land fünf verschiedene Präsidenten. Tausende Menschen gingen auf die Straßen, Supermärkte und Geschäfte wurden geplündert. Insgesamt starben bei den gewalttätigen Ausschreitungen 28 Menschen. Die Regierung rief schließlich den Notstand aus. Das Land, das inzwischen Schulden von rund 100 Milliarden Dollar angehäuft hatte, erklärte offiziell den Staatsbankrott.
Nachwehen der Wirtschaftskrise
Nachdem der IWF seine Unterstützung beendet hatte, stoppte Argentinien auch die Zahlungen an seine Gläubiger, weshalb es erst einmal nicht auf die Unterstützung des Währungsfonds angewiesen war. Um die Krise zu bewältigen, legte die argentinische Regierung Anfang 2002 ein Notstandsprogramm auf, das die Kopplung des Peso an den US-Dollar aufhob. Daraufhin verlor die argentinische Währung deutlich an Wert. Zugleich gab es Bemühungen, das Finanzsystem wieder zu stabilisieren, während bereits wieder mit dem IWF um eine Wiederaufnahme der Unterstützung verhandelt wurde. Obwohl Argentinien die Mahnungen ignorierte, Privatanleger zu entschädigen, gewährte der IWF dem Land im Januar 2003 ein Darlehen über rund drei Milliarden US-Dollar. Im April 2003 wurde Nestor Kirchner zum argentinischen Präsidenten gewählt. Da er für viele Beobachter als vertrauenswürdige Führungsperson galt, verstärkte er die leichte Aufwärtsbewegung, in der sich Argentinien inzwischen wieder befand.
Im September 2003 hatte Argentinien Auslandschulden in einer Höhe von 17,2 Milliarden US-Dollar. Etwas mehr als die Hälfte davon entfiel auf private Gläubiger. Erst im Januar 2005 machten die Argentinier ihren Gläubigern ein Angebot, das vorsah ihre Staatsanleihen umzuwandeln. Sie sollten im Schnitt auf 50 Prozent des Werts ihrer Einlagen verzichten – tatsächlich lag ihr Verlust in vielen Fällen noch höher. Wider Erwarten willigte dennoch eine Vielzahl der Geschädigten in die Pläne ein, so dass 7,6 Prozent der Staatsverbindlichkeiten in langfristigere Staatsanleihen getauscht wurden. Damit sanken die Staatsverbindlichkeiten auf 7,2 Milliarden Dollar im März 2005.
Weltweiter Aufwind hilft Argentinien aus der Krise
Bereits kurz nach der Krise, in der zweiten Jahreshälfte 2002 wuchs die die Wirtschaft wieder, und das setzte sich in den Folgejahren fort. Argentiniens Wirtschaft erholte sich auch dank des weltweiten Aufschwungs, doch Kritiker bemängelten, die Schere zwischen Arm und Reich klaffe in Argentinien nun weiter denn je auseinander. Bei der Suche nach Ursachen für die Krise wird auch über die Rolle des IWF spekuliert. Bis heute behaupten die Regierung und viele Argentinier, der IWF sei Schuld an der beispiellosen Staatspleite. Laut Wissenschaftlern hätte zumindest das Ausmaß der Krise durch rechtzeitiges Eingreifen der argentinischen Regierung oder des IWF verringert werden können. So hätte der IWF durch seine Kreditauflagen zum Beispiel darauf drängen können, die Peso-Dollar-Bindung früher, bereits Mitte der 90er Jahre aufzuheben.
Quelle: www.tagesschau.de/wirtschaft/argentinien134.html 1/3