Manager war Teil der Ethikkommission zum Atomausstieg / „Damals keine Abwägung zwischen Kernenergie und der Erderwärmung“. Die Debatte über die Zukunft der Kernenergie in Deutschland gewinnt an Fahrt.
Der ehemalige Chef des weltgrößten Chemiekonzerns BASF, Jürgen Hambrecht, der auch Mitglied der Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ zum Atomausstieg war, sagte der F.A.Z.. „Der gleichzeitige Ausstieg aus Kohle und Atomkraft ist ein Fehler“. So vorzugehen könne „zu einer Überforderung der Privathaushalte und der Wirtschaft führen, gefährdet Deutschlands Energiesicherheit und belastet die Wettbewerbsfähigkeit.“
Als die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingesetzte Kommission vor zehn Jahren tagte und das Ende der Kernkraft bis Ende 2022 aus ethischen Gründen befürwortete, sei das unter völlig anderen Voraussetzungen erfolgt, stellte Hambrecht klar. Weder sei die Rede davon gewesen, sich zugleich aus der Stein- und Braunkohleverstromung zurückzuziehen; im Gegenteil habe seinerzeit die Politik den Bau neuer moderner Kohlemeiler befürwortet. Noch habe es derart ehrgeizige Minderungsziele für Treibhausgase gegeben wie heute, die vorschreiben, dass Deutschland bis 2045 kohlendioxidneutral sein soll. Deutschland steigt bis Ende 2022 aus der Kernenergie aus.
Hambrecht beklagte nun, dass es in Deutschland „damals keine Abwägung zwischen Kernenergie und der Erderwärmung“ gegeben habe. „Genau das brauchen wir aber, und es sieht so aus, als ob die Gefahren des Klimawandels viel höher sind als die Risiken der Atomkraft“, sagte er. „Wenn wir aus guten Gründen für den Klimaschutz die Wirtschaft, den Verkehr und das Heizen auf Elektrizität umstellen und wenn wir zugleich aus Kohle, Öl und Gas aussteigen, dann sollten wir über die möglichen Vorteile der Kernenergie noch einmal neu nachdenken“, forderte Hambrecht, der heute dem Aufsichtsrat des Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf vorsitzt und Gründungsunternehmen betreut, auch aus der Energiewirtschaft.
Die Regierung habe der Ethikkommission zugesichert, dass die künftige Energieversorgung auch ohne Kernkraft umweltverträglich, sicher und bezahlbar bleibe. Damals hieß es, dazu würden die erneuerbaren Quellen ebenso verlässlich ausgebaut wie die Stromnetze. „All diese Versprechen wurden nicht eingehalten, weder die Regulatorik noch die Infrastruktur ist da“, empörte sich der Fünfundsiebzigjährige. Um den Zustand zu bessern, müsste die Kernenergie innerhalb der europäischen „Taxonomie“ als grüner und damit als förderfähiger und für Investoren interessanter Energieträger anerkannt werden.