Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags: Sechs Prozent Zins bei Steuernachzahlung nicht mehr gerechtfertigt

Bürger und Unternehmen müssen seit Jahrzehnten bei Steuernachzahlungen sechs Prozent Zinsen zahlen. Angesichts der andauernden Niedrigzinsphase dürfte dies jedoch inzwischen verfassungswidrig sein. So kommt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags zu dem Ergebnis, dass es für „das Festhalten an dem nicht mehr realitätsgerechten Zins keine Rechtfertigungsgründe mehr“ gebe. Der Sechs-Prozent-Zins wirke wie eine Sanktion, die sei aber nicht sein Zweck, heißt es in dem 12-seitigen Gutachten, das der WirtschaftsWoche vorliegt. Tatsächlich sollten damit nur mögliche Liquiditäts- und Zinsvorteile beim säumigen Steuerzahler abgeschöpft werden. Dazu bemerken die Bundestagsjuristen: „Diese Chance besteht aber realistisch betrachtet wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase nicht.“
Mehrere Bundesländer wollen deshalb den steuerlichen Nachzahlungs- (und auch Erstattungs-)zins senken, wie eine Umfrage der WirtschaftsWoche zeigt. Mit Bayern, Hessen und Sachsen befürworten inzwischen drei vergleichsweise große Länder eine Absenkung, auch Bremen sieht die geltende Regelung kritisch. Dagegen sieht Hamburg etwa „zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass zu einer Überarbeitung der Verzinsungsregelungen“. Und Mecklenburg-Vorpommern will abwarten, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Diese Meinung teilt auch das Bundesfinanzministerium. „Die Bundesregierung geht unverändert von der Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rechts aus“ und wolle eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten, so das Finanzministerium auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Tatsächlich wollen die Karlsruher Richter noch in diesem Jahr über den seit 1961 unverändert geltenden Zinssatz urteilen.

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