Kommissionspräsidentin hat Probleme mit nicht auffindbaren Kurznachrichten

In der EU-Kommission werden Monat für Monat massenhaft E-Mails gelöscht, SMS-Texte oder Kurznachrichten aus Chat-Diensten wie WhatsApp archiviert die Brüsseler Behörde überhaupt nicht.

Wie der SPIEGEL berichtet, sind von dieser Praxis auch angeblich Nachrichten von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an den Chef des US-Pharmakonzerns Pfizer über einen milliardenschweren Vertrag zum Corona-Impfstoff von Pfizer/Biontech.

Laut internen Richtlinien der Kommission sollen Mitarbeiter lediglich Dokumente, die »wichtige Informationen« enthalten und »nicht kurzlebig« sind, in ein elektronisches Register namens Ares einspeisen. Alles andere wird nach sechs Monaten automatisch gelöscht, wie es in den Richtlinien heißt. Davon ausgenommen sind lediglich Dokumente, die Mitarbeiter in »persönliche Ordner« verschieben. Die Kommission betrachtet sie dann allerdings nicht mehr als Kommissionsdokumente, wodurch sie dem Zugriff der Öffentlichkeit ebenfalls entzogen sind.

SMS-Texte und andere Kurznachrichten, etwa aus Chat-Diensten wie WhatsApp, Signal oder Telegram, archiviert die Kommission überhaupt nicht. Solche Nachrichten seien »von Natur aus kurzlebig« und enthielten meist »keine wichtigen Informationen« über Aktivitäten oder Entscheidungen der Kommission, erklärte eine Sprecherin zur Begründung.

Allerdings soll Kommissionspräsidentin von der Leyen im Frühjahr wochenlang Kurznachrichten mit Albert Bourla, dem Chef des US-Pharmakonzerns Pfizer ausgetauscht haben, um einen im Mai verkündeten Vertrag über die Lieferung von bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff zu sichern. Einen Antrag auf Herausgabe dieser Nachrichten lehnte die Kommission jedoch kürzlich ab – mit der Begründung, dass sie die Nachrichten nicht besitze. Die Frage, ob sie gelöscht wurden oder noch existieren, ließ die Sprecherin unbeantwortet. Der Vorgang hat eine Untersuchung von EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly ausgelöst.

Es ist nicht das erste Mal, dass von der Leyen Ärger wegen verschwundener Kurznachrichten hat. Ende 2019 wurde bekannt, dass auf zwei ihrer Diensthandys während ihrer Zeit als Bundesverteidigungsministerin SMS-Nachrichten gelöscht worden waren – was von der Leyen eine Strafanzeige und Ärger mit einem Untersuchungsausschuss des Bundestags einbrachte, der die SMS als Beweismittel angefordert hatte.

Der Berliner Europarechtler Alexander Thiele sieht die Praxis der Kommission kritisch. »Diese pauschale Verneinung politischer oder rechtlicher Relevanz von SMS halte ich rechtlich für mehr als bedenklich.« Laut geltendem EU-Recht muss die Kommission »größtmöglichen Zugang« zu den ihr vorliegenden Dokumenten gewähren, und zwar »unabhängig von der Form des Datenträgers.«

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